Jan Munderloh verkauft jungen Männern auf Instagram Hoffnung und macht auf ihre Kosten ein Vermögen. Er ist überzeugt, damit etwas Gutes zu tun.
Jan Munderloh sitzt im slim-fit Businesshemd in seiner offenen Küche in Küssnacht am Rigi. Von seinem Esstisch blickt er auf einen Zipfel Vierwaldstättersee. An den Füssen trägt er Sneakersöckchen, am Handgelenk eine Rolex. Die Haare sind an den Seiten kurz geschoren. Keinen Millimeter zu lang.
Es ist einer der wenigen Tage im Dezember, die Jan Munderloh daheim ist. Erst gestern kehrte er von vier Tagen Meetings aus Lissabon zurück. Morgen geht’s in die Berge, Schlitteln mit dem Team. Anschliessend ein Event in Stuttgart, Munderloh auf der Bühne. Nach Weihnachten dann Dubai und von dort direkt nach Hawaii. Das nächste Mal zu Hause: wohl in einem knappen Monat.
«Ich bin nie länger an einem Ort», sagt er und füllt sein Kristallglas mit Wasser. «Dann werde ich unproduktiv. Ist so ’ne Eigenschaft von mir.»
Jan Munderloh ist 28 Jahre alt und nennt sich einen «Chancengeber», einen «Geschäftsmann mit grosszügigem Herzen». Er will jungen Menschen zeigen, dass sie der herkömmlichen Arbeitswelt entfliehen können. Dass es einen anderen Weg gibt, als ein Leben lang angestellt zu sein und für die Träume eines anderen zu schuften. Das Ziel: Arbeiten, wann man will, wo man will und damit richtig Kohle machen.
Reich werden im Internet
Jan Munderloh ist mit Multi-Level-Marketing reich geworden. Das ist der moderne Begriff für ein altes Geschäftsmodell: den Strukturvertrieb. Bekannte Beispiele sind Herbalife oder Tupperware. Anstatt ihre Produkte mit herkömmlicher Werbung zu bewerben, setzen sie auf unabhängige Vertriebspartner, die das Produkt ihren Bekannten und Verwandten weiterempfehlen.
Das Prinzip hat mit dem Internet neuen Aufschwung erhalten. Anstatt Hausfrauen auf Tupperpartys sind junge Menschen auf Instagram die Zielgruppe. Und anstatt Tupperdosen verkaufen sie kostenpflichtige Abonnemente für Onlinekurse oder Reiserabatte.
Die jungen Menschen können aufsteigen, je mehr neue Mitglieder sie anwerben, die wiederum neue Mitglieder anwerben. Je mehr aktive Mitglieder jemand unter sich hat, desto höher der Rang im Unternehmen. Und desto höher die Provision.
Jan Munderloh ist der Kopf einer Pyramide von über 2000 jungen Menschen. Die Zahl schwankt mal nach oben, mal nach unten. In den vergangenen drei Jahren hat Munderloh, wie er sagt, jeden Monat zwischen 25’000 und 50’000 Dollar an ihnen verdient, manchmal 100’000.

Reichwerden im Internet war scheinbar nie so einfach. Jan Munderloh lebt ein Leben, das er jungen Menschen auf Instagram als Traum verkauft. Er weckt in ihnen die Hoffnung, irgendwann so sein zu können wie er. Er tut das, obwohl er weiss: Fast alle, die ihm nacheifern, verlieren ihr Geld.
«Multi-Level-Marketing-Systeme knüpfen am Bedürfnis junger Menschen an, erfolgreich zu sein», sagt Susanne Schaaf, Geschäftsleiterin der Fachstelle für Sektenfragen Infosekta. Die Leiter dieser Systeme inszenieren sich gekonnt in den sozialen Medien und stellen den Interessierten die Perspektive in Aussicht, auf einfache Art rasch viel Geld zu verdienen. Unter dem Strich sei das aber nur für die wenigsten lukrativ.
In diesen Systemen werde ein bestimmtes Lebensgefühl vermittelt, sagt Schaaf. Die Betroffenen glauben, Teil einer besonderen Community zu sein. Die Anlässe seien oft emotionsgeladen. «Je nachdem, wie stark sich eine Person damit identifiziert, kann es sein, dass sie alles auf diese Karte setzt», sagt Schaaf. Betroffene künden ihre Jobs und distanzieren sich von Freunden und Familie, von denen sie sich missverstanden und in ihrem Höhenflug nicht unterstützt fühlen.
Brich aus dem Hamsterrad aus
Sein Geld hat Jan Munderloh vor allem mit der IM Academy gemacht, einem Mutli-Level-Marketing-System aus den USA. Es lockt junge Menschen mit dem Versprechen, schnell reich werden zu können.
Es ist typisch für ein MLM, ein Produkt anzubieten. Sonst wäre es ein klassisches Pyramidensystem. Bei der IM Academy sind es verschiedene Finanzkurse, in denen ihre Mitglieder scheinbar lernen können, wie man Finanzmärkte «erobert». Gegen eine monatliche Gebühr erhalten sie Zugriff auf eine digitale Plattform, wo sie auf kurzfristige Kursschwankungen spekulieren. Etwa im Währungshandel oder beim Krypto-Trading.
Aber kurzfristiges Trading ist kompliziert und stressig und kaum rentabel, nicht einmal für Profis. Finanzexperten halten es für eine Utopie, schon nur die Monatsgebühr von 275 Dollar reinzuholen.
In Wahrheit lässt sich bei der IM Academy nur Geld machen, indem man neue Kunden anwirbt, die wiederum neue Kunden anwerben. Aber selbst das funktioniert nur für die wenigsten. Wer mit der IM Academy wirklich reich werden will, muss mindestens zu den obersten 0,1 Prozent gehören. Das geht aus der Einkommensoffenlegung hervor, zu der die IM Academy nach US-Recht verpflichtet ist.
Diese Zahlen sind öffentlich, scheinen viele junge Menschen aber kaum zu interessieren. Nach eigenen Angaben zählte die Academy im Jahr 2022 weltweit 400’000 Mitglieder.
Vor allem junge Männer springen auf die Versprechungen der IM Academy an. Sie sind risikofreudig, vom Arbeitsleben desillusioniert, einsam oder alles zusammen. Sie sehen die aufwendig kuratierten Instagram-Profile ihrer Vorbilder, die scheinbar ein Leben im Luxus führen. Sie fahren Sportwagen, machen Ferien in Dubai, tragen teure Uhren, posieren auf Jachten und in Privatjets.
Die mitschwingende Botschaft ist immer: Alles, was du für ein solches Leben brauchst, ist das richtige Mindset. Brich aus dem Hamsterrad aus, lautet die Verheissung. Hier können es alle schaffen. Du musst es nur wollen.
Wer ein Bedürfnis hat, hat eine Schwachstelle
Für das, was die IM Academy im Internet und auf Bühnen verspricht, interessieren sich weltweit Behörden.
2018 wurde die IM Academy, die damals noch iMarketslive hiess, von der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde CFTC zu 150’000 Dollar Strafe verurteilt. Unter anderem, weil sie illegalen Forex-Handel anbot. Belgien hat die IM Academy als illegales Pyramidensystem eingestuft. Die Finanzaufsichten zahlreicher Länder warnen, darunter Frankreich, Luxemburg und Deutschland. Im Frühling 2022 nahm die spanische Polizei acht führende IM-Mitglieder fest wegen Verdachts auf Betrug. Der Prozess läuft.
In der Schweiz erwähnt die Fachstelle für Sektenfragen Infosekta die IM Academy in ihrem Jahresbericht 2022 zum ersten Mal. Sie schreibt von einer «manipulativen Sogwirkung», die Strukturvertriebe wie die IM Academy vor allem auf junge Männer haben. Insgesamt gingen 13 Beratungsanfragen ein, die sich auf IM bezogen.
Es gibt zahlreiche Medienberichte über Jugendliche und junge Erwachsenen, die in die Fänge von IM geraten sind. Es sind Geschichten von jungen Menschen, die glauben, sich ein passives Einkommen schaffen zu können. Die Stunden damit verbringen, sich vermeintlich hilfreiche Lehrvideos anzuschauen und Kursschwankungen zu beobachten, im Glauben, die komplexesten Finanzmärkte der Welt knacken zu können. Sie entfernen sich von ihrem Freundeskreis und ihren Familien, denn das ist es, was die Academy sie lehrt: Umgib dich nur mit Menschen, die dich unterstützen. Sie brechen ihre Ausbildungen ab und verlieren Geld. Und sie versuchen, andere zu überzeugen, ebenfalls mitzumachen.
Der Psychologe Franz Eidenbenz hat 2022 zwei betroffene Jugendliche therapiert und ihre Familien beraten. Eidenbenz ist Mitglied der Expertengruppe Onlinesucht des Bundesamts für Gesundheit. Die Jugendlichen zeigten massive Abhängigkeiten von der IM Academy, sagt er. «Sie glaubten, mit den Trading-Tool reich zu werden, und wollten ihre Lehrstellen aufgeben.» Die IM Academy birgt ein erhebliches Suchtrisiko, sagt er, gerade bei Jugendlichen. Ihr Frontalhirn, zuständig für Impulskontrolle und Folgeabschätzung, ist noch nicht ausgereift.
Aber auch Erwachsene können abhängig werden, sagt Eidenbenz. Meistens befänden sich gefährdete Menschen in unbefriedigenden Lebenssituationen oder hätten schlechte Aussichten, in Zukunft finanziell erfolgreich zu werden.
Von diesen Menschen profitiert Jan Munderloh. Sie sind potenzielle Mitglieder und damit Geldbringer.
«Jung pensioniert»
In der Ecke von Jan Munderlohs Wohnzimmers steht ein mannshohes Banner. In Grossbuchstaben steht darauf: Ehrlichkeit, Respekt, Vertrauen, Transparenz, Loyalität. Er selbst sitzt am Esstisch.
Munderloh kennt die Fragen, die man ihm stellen will, und weiss auf jede eine lange Antwort. Wenn er spricht, ist es manchmal schwierig, ihm zu folgen. Er schweift ab, weicht aus, spricht in vorgefertigten Sätzen. Man sieht ihm an, dass er sich seine Schüchternheit wegtrainiert hat. Selbst die Art, wie er seine Hände zum Sprechen nutzt, wirkt einstudiert. Ständig auf Sendung.
Strukturvertriebe leben von der Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte. Jan Munderloh erzählt seine Version immer wieder: Vom schüchternen Dorfjungen mit wenig Freunden zum bejubelten Speaker auf internationalen Bühnen. «Du musst deine Lebensgeschichte kreieren und die Menschen durch deine Art und Ausdrucksweise inspirieren», sagt er. «Menschen folgen Menschen und nicht irgendwelchen Produkten.»
Jan Munderloh stammt aus einem Dorf nahe Bremen im Norden Deutschlands. Eigentlich, sagt er heute, wollte er in die Fussstapfen seines Vaters treten, dem Leiter einer Bankfiliale. Seine Lehre zum Bankkaufmann machte ihm Spass, er fand sie aber zunehmend eintönig. Schon damals, als Teenager, suchte er nach Möglichkeiten, im Internet Geld zu verdienen.
Dann lief es, wie es bei den meisten läuft: Jan Munderloh erhielt eine Nachricht auf Facebook. So fand er die IM Academy. Oder besser gesagt: sie ihn. 2017 trat er bei.
Nach seiner Banklehre schrieb sich Jan Munderloh fürs BWL-Studium ein. Neben den Vorlesungen schaute er IM-Lehrvideos und spekulierte auf Währungskurse. Nach ein paar Monaten entschied er, ein eigenes Vertriebsnetzwerk aufzubauen. Vom reinen Kunden, der für die Lernplattform eine monatliche Gebühr bezahlt, wurde er zum Vertriebspartner. Er verdiente an allen, die er anwarb. Und an allen, die diese wiederum anwarben. Irgendwann machte er 5000 Dollar im Monat. Genug, um das Studium zu schmeissen.
«Ich wusste, ich muss all in gehen», sagt Munderloh. «Ich mach dir ein Beispiel: Stell dir vor, du bekommst zwei Fussbälle zugespielt. Dann darfst du dich nur auf einen fokussieren. So wirst du erfolgreich.»
Munderloh entwickelte sich zu einem der wichtigsten Akteure der IM Academy im deutschsprachigen Raum. Fast niemand hat in Deutschland, Österreich oder der Schweiz mehr Geld verdient.
2020 zog er in die Schweiz. Er wollte Seeblick und tiefe Steuern, und fand beides in einer Neubauwohnung in Küssnacht am Rigi. Vier Jahre nach seinem Beitritt zur IM Academy gründete er an seiner Wohnadresse die Retired Young Consult GmbH. Retired Young, «jung pensioniert», das ist sein Movement.
Mit Retired Young schuf Jan Munderloh seine eigene Marke in der Welt der IM Academy. Andere Movements heissen Empire oder Team Alpha. Diese Untergruppen sind etwas wie selbstständige Botschafter der Academy. Sie sind rechtlich unabhängig, vertreiben aber ihre Produkte und werben Leute für sie an.
Es sind junge Männer wie Jan Munderloh, die diese Movements anführen. So festigen sie den Einfluss auf ihre Struktur. Mit Retired Young hat Munderloh etwas hervorgebracht, das, wie sich beim Wechsel zu Jifu zeigte, auch unabhängig der riesigen IM Academy funktioniert. Er hat es geschafft, dass sich seine Folgschaft weniger auf die Academy fixiert. Und mehr auf ihn, Jan Munderloh. Das Kind hat sich abgenabelt.
4000 junge Menschen aus Deutschland und der Schweiz seien heute bei Retired Young dabei, sagt Munderloh. Ein Rekord. Sie sehen sich als eine Gemeinschaft, eine Familie. Sie feiern einander in den sozialen Medien ab. Und versuchen in gemeinsamer Anstrengung, immer mehr junge Menschen ins System zu holen.
Alle, die scheitern, sind selbst schuld
Als Bestverdiener in seiner Pyramide hat es Jan Munderloh nicht mehr nötig, neue Leute zu rekrutieren. Das überlässt er den anderen. Die unten in der Pyramide notieren sich in einer Tabelle wahllos Namen von jungen Menschen, die sie auf Instagram anschreiben wollen. Das erzählt ein ehemaliges Retired-Young-Mitglied, das anonym bleiben möchte.
Die Mitglieder versuchen, die Neulinge auf Calls zu locken. Sie erzählen ihnen Binsenwahrheiten auf Powerpointfolien und nennen ihnen Zahlen, die so schnell kaum einzuordnen sind. Sie vermitteln ihnen das Gefühl, etwas zu verpassen, falls sie absagen. Und dass sie nichts zu verlieren haben, wenn sie zusagen. Wenn nötig, holen sie eine Upline auf den Call. Also jemanden, der in der Pyramide weiter oben sitzt. Das erhöht die Glaubwürdigkeit.
Je nach Persönlichkeitstyp erhalten die Neulinge andere Informationen. Eine «Eule» zum Beispiel ist skeptisch, aber neugierig. Sie lässt sich mit Transparenz überreden. Ein «Hai» hingegen ist egoistisch, er will vor allem gesagt kriegen, wie unverschämt viel Geld er scheinbar machen kann. Der «Wal» lässt sich überzeugen, indem man ihm einredet, er könne anderen helfen. Beim «Delfin» ziehen vor allem Partys und Reisen. Er will Spass haben.
Haben die Eulen und Haie und wer auch immer angebissen, kommt Jan Munderlohs Einsatz. Seine Aufgabe besteht darin, Events und Calls zu organisieren, in denen er seine Folgschaft «inspirieren» kann.
Das Muster ist immer dasselbe. Es treten Speakerinnen und Speaker auf, die ihre Tellerwäscher-Millionär-Geschichte erzählen. Sie handeln vom Mobbing in der Schule, vom alkoholkranken Vater oder vom Leben als alleinerziehende Mutter. Regelmässig werden auch jene mit Applaus und einem Diplom belohnt, die es einen Rang nach oben geschafft haben. Das Publikum wird mit Affirmationen ermutigt, an sich zu glauben. An Live-Events gibt es Tanzeinlagen und Konfettiregen. Rund um die Uhr werden Inhalte für Instagram produziert.

Die Botschaft – auch du kannst es schaffen, wenn du hart genug arbeitest – wiederholt sich in der einen oder anderen Form immer wieder. Eine Speakerin sagt zum Beispiel: «Das Business gibt dir das zurück, was du reinsteckst. Das Business ist wie ein Spiegel, es ist niemals unfair.»
Die Neulinge werden mit manipulativen Tricks geködert, mit Beteuerungen und einem Gemeinschaftsgefühl bei Laune gehalten. Sie lassen sich tragen von der Stimmung in den Calls und den Komplimenten in den Chats, geblendet von den Protzvideos auf Instagram. Sie glauben, Teil von etwas Grösserem zu sein, und kriegen dann vermittelt: Alle, die scheitern, sind selbst schuld. Wer nicht spurt, ist ein Versager.
So zahlen die Geköderten weiterhin ihre Beiträge. Aus Scham oder Verzweiflung oder Zuversicht. Sie verlieren Geld in der Hoffnung, dass es sich irgendwann lohnen wird. Und bald schon ködern sie neue Leute. Mit denselben Geschichten, denselben Beteuerungen.
So halten sie das Kartenhaus aufrecht. Sie sind Opfer und Täter gleichzeitig.
Für jeden, der es schafft, zahlen Tausende den Preis
Die Kritik an Strukturvertrieben hält Jan Munderloh für gerechtfertigt. «Als Neustarter kann ich dir alles Mögliche erzählen», sagt er. «Und dir Versprechungen machen, für die ich nicht hafte.» Das Problem liege darin, dass die Industrie unreguliert sei.
Aber, das macht er auch klar, mit ihm habe das alles nichts zu tun. Im Multi-Level-Marketing, so wie er es verstehe, komme man nur voran, wenn man anderen helfe, auch voranzukommen.
Munderloh spricht von tiefen Direktprovisionen, von Persönlichkeitsentwicklung, von People over Profit. Von Menschen, die er an die Hand nimmt und ihnen hilft, zufrieden zu werden, und die ihm ein Leben lang dankbar seien. Lehrstelle abbrechen, Schule schmeissen, von zu Hause abhauen – das wäre nie etwas, das er unterstützt. Sobald er von Minderjährigen in seiner Struktur erfahre, lasse er deren Accounts sperren.
Ob er etwas Gutes tue? Er findet: «Ja, definitiv.»
Dann rechnet er vor: Von den Mitgliedern, die er unter sich hat, haben sich 400 als Vertriebspartner angemeldet. Knapp 80 davon, das sagt er selbst, verdienen mit Multi-Level-Marketing mehr als 2000 Euro im Monat. Ein Fünftel. Das sei ein guter Wert.
Das bedeutet aber umgekehrt: 320 Vertriebspartner, vier Fünftel, verlieren Geld oder machen weniger als 2000 Euro im Monat. Darin sind die Gebühren, die sie monatlich zahlen, nicht eingerechnet. Und selbst von denen, welche die 2000er-Marke geknackt haben, sind die meisten weit entfernt vom suggerierten Mercedes-Rolex-Dubai-Traum.
«Es schaffen die wenigsten, das stimmt», gibt Munderloh zu und weicht aus: «Aber schau dir doch mal die Vermögensverteilung auf der Welt an. Fünf Prozent haben, was sich die restlichen 95 Prozent teilen müssen. Dann ist es vielleicht auch verständlich, dass bei uns nur so wenige dort hinkommen, wo alle hinwollen. Was ich immer wieder lehre: Man sollte nie auf das Endresultat fokussieren, sondern auf die Fortschritte. Ich war früher sehr introvertiert und schüchtern, heute spreche ich auf internationalen Bühnen vor zehntausend Menschen …»
Da ist sie wieder, die Tellerwäscher-Millionär-Geschichte. Eines lässt Jan Munderloh in seiner Erfolgsstory konsequent aus: Auf jeden, der es nach oben schafft, kommen Tausende, die ihm das finanzieren. Alle, die er bei Retired Young bei Laune hält, ermöglichen ihm seinen Lebensstil.
Alles in Jan Munderlohs Welt ist eigennützig. Er sagt das Gegenteil. Aber am Schluss profitiert vor allem einer: er selbst.
Erschienen in den Zeitungen von CH Media am 6. Januar 2024.