«Ich gebe eine gute Story her. Die Wahrheit ist aber viel bescheidener»

Er ist berüchtigt für seine Bitcoin-Millionen, seine Panzer und sein umstrittenes Mega-Feuerwerk am 1. August. Trotzdem wirkt Niklas Nikolajsen irgendwie bodenständig. Ein Besuch im fast fertig renovierten St. Karlshof, seinem neuen Anwesen am Zugersee.

Bevor er eintritt, schlüpft er aus seinen Schuhen. Dann führt Niklas Nikolajsen in knallroten Socken durch seinen Karlshof am südlichen Ende der Stadt Zug, und es ist wie eine Reise in die Vergangenheit.

Die Seidenvorhänge hängen in perfekten Falten, an den Tapeten prangen goldumrahmte Bilder von Schweizer Bergen und Schlachten auf See. Das Holz, der Marmor, die Spiegel, das Satinsofa, hier drin wirkt alles unberührt, als wäre irgendwann Anfang des 20. Jahrhunderts die Zeit stehen geblieben. Als wären die Hallen soeben zurechtgemacht worden, damit die bald anreisende Gutsfamilie hier den Sommer verbringen kann.

Es hat alles, was sich ein Adliger wünschen würde: Die Geheimtür im Bücherregal, hinter der der Diener verschwindet. Der Lift in der Wand, der die gebratene Gans von der Küche in den Esssaal befördert. Bronzene Griffe in jedem Raum, verbunden mit den Dienerglocken im Untergeschoss. Eine Tanzhalle mit Schachbrettboden, goldene Duschbrausen, Blick auf den Zugersee.

Bilder: Jan Pegoraro

Niklas Nikolajsen, 48, dänischer Early-Adopter und Gründer von Bitcoin Suisse, hat den Karlshof so herrichten lassen, wie er 1909 ausgesehen hat. So war es mit der Zuger Denkmalpflege abgemacht. Viele viktorianische Details, etwa der Stuck an der Decke, waren bei einer Sanierung in den 1950er-Jahren zerstört worden.

«Was wir finden konnten, haben wir restauriert», sagt Nikolajsen, «alles andere haben wir nach bestem Wissen und Gewissen nachempfunden.» Über 60 Millionen Franken hat er sich die Zeitreise bisher kosten lassen. Viel, viel mehr als geplant.

Alles begann in einer 2-Zimmer-Wohnung

Niklas Nikolajsen gilt als Exzentriker, als Spinner mit Zwirbelbart. Wie eine Zeichentrickfigur sieht er immer gleich aus: Hemd, Gilet und Jackett in Schwarz, Weiss oder Rot. Ein Kettchen für die Taschenuhr und ein Pferdeschwanz, der ihm fast bis zur Hüfte reicht. «Paradiesvogel mit barockem Lifestyle», schrieb das Magazin Bilanz.

Die meisten der Zuschreibungen fände er witzig, sagt Nikolajsen. Er sei ja ein bisschen exzentrisch: Viele Leute würden es für verrückt halten, einen Koffer zu packen und halb Europa zu durchqueren, um in einem fremden Land eine Firma aufzubauen, basierend auf einer Technologie, die niemand kennt und niemanden interessiert.

Als er vor zwölf Jahren von Dänemark nach Zug kam, habe er sich Geld leihen müssen, um die Mietkaution einer 2-Zimmer-Wohnung in Baar zu bezahlen. Eine Wohnung, die er sich mit drei Freunden teilte. Er war ein Cyberpunk, ein Computernerd, der die Welt verändern wollte. Der Bitcoin sollte den Finanzmarkt gerechter machen.

2013 gründete er die Bitcoin Suisse AG mit und führte sie als CEO. Zehn Jahre harte Arbeit und ein paar glückliche Umstände später wird Niklas Nikolajsens Vermögen auf bis zu 350 Millionen Franken geschätzt.

Er sei ein Abenteurer, sagt Nikolajsen. Ein Das-Glas-ist-halb-voll-Typ. Ein Crazy Guy. Dazu passen die Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg, mit denen er manchmal zum Picknick mit seiner Frau ausfährt. Oder die beiden Oldtimer-Bentleys in seiner Garage, die er nicht fahren kann, weil er keinen Führerschein hat. Darum kämen die Journalisten wohl immer und immer wieder, sagt er. «Ich gebe eine gute Story her. Die Wahrheit ist aber viel bescheidener.»

Er will Schweizer sein, kein Herrscher

Die Bentleys kaufte Niklas Nikolajsen aus Übermut, sagt er gegenüber der NZZ, weil der Bitcoin-Kurs stark gestiegen war. Ansonsten scheint hinter Nikolajsens dekadenten Investitionen immer eine gute Tat zu stecken: Die Panzer habe er einem Museum abgekauft, das in Geldnöten steckte. Den Karlshof renoviere er nun, um ihn für die Öffentlichkeit zu erhalten, denn wirtschaftlich sei das Projekt eine Katastrophe.

Und auch mit dem 1.-August-Feuerwerk, das in der ganzen Deutschschweiz für Kontroversen gesorgt hatte, wollte er nur helfen: Einen Teil der Raketen habe er Organisatoren grosser Feste abgekauft, die ihr Feuerwerk wegen Corona nie haben zünden können. Den anderen Teil habe er vom Hersteller übernommen, der sonst darauf sitzen geblieben wäre.

Und irgendwie kauft man ihm das ab. Niklas Nikolajsen ist kein gesichtsloser Expat, der hier nur Geld verdient und Steuern spart. Er mischt sich unter die Leute, ist Gast in örtlichen Restaurants, will in Zug Spuren hinterlassen. Er bezeichnet sich als Zuger. Als Neu-Zuger, wie er gleich nachschiebt, denn ihm sei bewusst, dass er nie ein richtiger Eidgenosse sein werde. Trotz des Schweizer Passes, der vor Kurzem per Post kam und mit dem er nun vor der Kamera posiert.

Niklas Nikolajsen ist stolz auf den Schweizer Pass, der erst kürzlich mit der Post kam. Bild: Jan Pegoraro

Es gibt Neureiche, die alles dransetzen, im Establishment anzukommen. Sie benehmen und kleiden sich wie die etablierten Familien, getrieben von einem Minderwertigkeitskomplex. So etwas kennt Niklas Nikolajsen anscheinend nicht. Er wolle zur Schweiz gehören, zu Zug, und nicht zur High Society. Er meidet sie, hebt sich schon nur äusserlich bewusst von ihr ab. Er spricht über staatliche Kontrolle, Gewaltmonopole und Machtmissbrauch. Das ist immer noch sein Thema, auch nach all den Jahren. Und nach all den Millionen.

Die Bitcoin-Idealisten mussten gehen

Umso mehr, meint man, müsste es ihn stören, dass bei Bitcoin Suisse nun die Banker übernommen haben. Niklas Nikolajsen sitzt nicht mal mehr im Verwaltungsrat. Selbst den Ehrenpräsidententitel hat ihm die Regulierungsbehörde nach wenigen Monaten abgenommen. Er hat keine Macht mehr in dem Unternehmen, mit dem er die Welt verändern wollte. Er ist nur noch Aktionär und Kunde.

Nun, es sei kein Geheimnis, sagt Nikolajsen, dass Bitcoin Suisse keine Bankenlizenz erhalten habe. Die Lizenz sei aber unabdingbar, wenn Bitcoin Suisse das Geld ihrer Kunden verwalten und mit der Konkurrenz mithalten wolle. «Also mussten die Idealisten, auch ich, den erfahrenen Bankern Platz machen.» Die hätten die besseren Beziehungen zu den Behörden.

Das sei wohl Teil des Reifeprozesses, sagt Nikolajsen. Und das sei auch gut so. In allem, was jetzt gekommen wäre, wäre er schlecht gewesen, sagt er. Die Diskussionen und Verhandlungen mit den Regulierungsbehörden hätten ihm keinen Spass gemacht. «Reichtum ist keine Motivation für mich», sagt er. Wegen des Geldes würde er sich nie selber aufopfern. Jetzt, da er mit 48 Jahren frühpensioniert sei, könne er sich um seine Zwillingssöhne kümmern. Und um den Karlshof.

Den Karlshof kann man auch mieten

Niklas Nikolajsens Feuerwerk am 1. August endete mit einem Smiley und mit einem Herz. Er sei im Karlshof auf dem Balkon gestanden, und die Leute unten auf der Strasse hätten sich umgedreht und ihm wie einem Royal applaudiert.

Nun steht er auf demselben Balkon, den Rücken zum See, und zeigt mit dem Finger auf ein rundes Fenster oben an der Fassade. Links und rechts waren früher Engel angebracht, die gefüllten Bohrlöcher sind noch sichtbar. Er hat die Engel aus Gips nachmachen lassen, sagt Nikolajsen. Anstatt ihnen generische Gesichter zu geben, sehen sie aus wie seine Zwillinge. Nach all dem Geld, das er in den Karlshof gesteckt hat, hätte er sich dieses lustige Detail verdient, findet er. Der Kanton Zug sieht das anders. Rang Nikolajsen früher mit der Finanzmarktaufsicht, ringt er heute mit der Denkmalpflege.

In etwa anderthalb Monaten sollte der Karlshof fertig renoviert und eingerichtet sein, schätzt Nikolajsen. Fast das ganze Erdgeschoss wird man einmal für Feste mieten können: drei Eventräume, die Gastroküche und den Vorgarten. Die beiden oberen Stockwerke sind mit schalldichtem Panzerglas vom Rest des Hauses abgetrennt. Hier zieht die Familie Nikolajsen Ende dieses Jahres ein, wenn alles nach Plan läuft.

«Hast du ein Auto?», fragt Niklas Nikolajsen den Fotografen unserer Zeitung. Beim Rundgang ging die Zeit vergessen. Jetzt muss er sich beeilen, wenn er es rechtzeitig zum Feierabendbier schaffen will. Der grossgewachsene Däne faltet sich ins Auto, die Fahrt in die Stadt ist kurz. Die letzten Meter zu seiner Wohnung in der Zuger Altstadt geht er zu Fuss, vorbei an einem Café, als plötzlich ein junger Mann von seinem Stuhl aufspringt.

«Niklas! Niklas!» Er schüttelt dem Krypto-Baron die Hand, als hätte er gerade sein Idol getroffen. «Danke für das Feuerwerk! Super gemacht! Danke vielmals! Wirklich der Hammer!»


Erschienen in der Zuger Zeitung am 6. August 2023.