Der Leiter der Durchgangsstation Steinhausen teilte auf Facebook monatelang prorussische, homophobe und sexistische Inhalte. Nun prüft der Kanton Zug strafrechtliche Schritte gegen seinen Mitarbeiter.
«Sehr gemein» sei er gewesen, habe gemobbt und schikaniert. Im März des letzten Jahres erhoben ehemalige Angestellte schwere Vorwürfe gegen den Leiter der Durchgangsstation Steinhausen, wie wir berichteten. Passiert ist seither wenig, er durfte seine Führungsposition behalten. Jetzt aber knallt’s: Der Kanton Zug stellte den Durchgangsstationsleiter am Dienstagmorgen per sofort und bis auf weiteres frei. Und zwar nicht wegen der Kritik an seinem Führungsstil, sondern wegen seiner Einträge auf Facebook.
Wie eine Recherche unserer Zeitung ergab, teilte, postete und kommentierte der Mann – wir nennen ihn im Folgenden Alexander P. – auf seinem Facebook-Profil rund ein halbes Jahr lang homophobe, sexistische und vor allem prorussische Beiträge. Sein Account war öffentlich und für alle einsehbar. Unsere Zeitung konfrontierte seine Arbeitgeberin, die Zuger Direktion des Innern, am Montagnachmittag mit den Befunden. Tags darauf stellte sie ihn frei. Alexander P. löschte sein Profil umgehend. Aber unsere Zeitung hat über 60 Screenshots angelegt.
Der erste auffällige Post von Alexander P. datiert auf den 11. Oktober 2021 zurück. Bemerkenswert ist vor allem die Abfolge von Emojis, die P. ab diesem Zeitpunkt immer wieder verwendet. Emojis sind kleine Smileys und Bildzeichen, die vor allem in Chats und SMS verschickt werden.
«Die Welt von der Unreinheit befreien»
Eingerahmt in Hundehaufen- und Kotz-Emojis reiht Alexander P. ein Schweinchen und eine Schlange aneinander, gefolgt von verschiedenen Krustentieren und Insekten. Wie sich im Verlauf seiner Facebook-Posts herausstellt, verwendet P. die …
- … Schweinchen als Symbol für «Unreinheit»,
- die Schlange als Symbol für «Lüge»,
- und die Krustentiere stehen für «unreine Lebensformen», die es verdienen, «lebendig zerstückelt» zu werden.
Auf die Tiere folgen unter anderem die Emojis eines lesbischen und eines schwulen Pärchens, die sich unter einem Herzchen küssen. Die zweite Emoji-Abfolge könnte für gängige Corona-Verschwörungsmythen stehen, die hier nicht ausgeführt werden.
Am 12. Dezember 2021 folgt der erste Post, in dem sich Alexander P. auf einen (noch nicht ausgebrochenen) Krieg zwischen Russland und der Ukraine bezieht. Er postet ein Video einer Kriegssituation, wahrscheinlich aus einem Videospiel. Als Gefühl gibt er an «fühlt sich toll», als Standort hat er «Europa/Kiew» ausgewählt. Dazu schreibt er auf Englisch: «Krieg in EUROPA – die Frage ist nicht OB, die Frage ist WANN», gefolgt von obiger Emoji-Abfolge.
Am 30. Januar 2022 wird Alexander P. deutlich. Zu einem Video der russischen Armee schreibt er auf Englisch: «Helden, welche die Welt von der UNREINHEIT befreien», gepaart mit Applaus- und Krone-Emojis. Solche Beiträge setzt P. zu Dutzenden ab, bis er sein Profil am 28. Juni 2022 löscht.
Ebenfalls kehren die hebräischen Bezeichnungen für «Unreinheit» und «rituell unrein» immer wieder, meist zusammen mit «LGBTQI+», der Bezeichnung für die Queer-Community. Die Redaktion verzichtet darauf, die weiteren zahlreichen Beleidigungen gegen diese Community wiederzugeben. Am 18. Juni wird P. besonders ausfällig – am Tag der Pride-Parade in Zürich. Er postet Bilder vergangener Pride-Parades, auf denen Gesichter erkenntlich sind.
Atombomben und Jungfräulichkeitszertifikate
Aus Alexander P.s Beiträgen ergibt sich ein klares Bild: Er unterstützt die Haltungen von Wladimir Putin und des obersten russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Letzterer ist ein enger Vertrauter Putins, der auch als sein «Hassprediger» bekannt ist. P. übernimmt ein prorussisches Narrativ, wonach er die «Werte der westlichen Welt» verachtet und mit Queerness gleichsetzt.
Der Westen sei eine «böse», «unreine» «Abfall-Allianz», und es müsse eine «neue Weltordnung» installiert werden. Er schreckt auch vor Themen wie einem Atombombenabwurf über der Ukraine nicht zurück und fragt: «Wann?». Die russisch kontrollierten Gebiete nennt er «befreite» Gebiete. Er kommentiert seine prorussischen Beiträge mit «Keine Gnade», «Kein Frieden», «Kein Zusammenleben», «Keine Kompromisse».
Für Alexander P. spielt zudem «Jungfräulichkeit» eine grosse Rolle. Er bezieht sich mehrmals auf die «heilige, reine Mutter» und postet «Jungfräulichkeitszertifikate» oder die Visualisierung einer Vulva, die zugenäht wird, um die Jungfräulichkeit «wiederherzustellen».
Kanton Zug prüft strafrechtliche Schritte
Die Direktion des Innern distanziere sich «in jeder Form vollständig» von den Äusserungen des Durchgangsstationsleiters, sagt Regierungsrat Andreas Hostettler.
«Unsere Haltung ist ganz klar. Diese Äusserungen sind absolut inakzeptabel und nicht tolerierbar.»
Die Entscheidung, Alexander P. freizustellen, sei innert Stunden gefallen. Computer, Handy und Badge habe er sogleich abgeben müssen. Eine Stellvertretung stehe schon parat. Hostettler weiter: «Es gilt die Unschuldsvermutung, aber wir prüfen diese Angelegenheit genau und werden, wo angezeigt, personalrechtliche und strafrechtliche Schritte einleiten.»
Mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine habe der Leiter der Durchgangsstation nie zu tun gehabt, versichert Hostettler. Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S seien bewusst von Beginn weg vom übrigen Asylwesen getrennt worden. Sonst hätten die S-Status-Privilegien unter Geflüchteten aus anderen Ländern womöglich zu Spannungen geführt.
Unsere Zeitung hat P. um eine schriftliche Stellungnahme angefragt. Er hat nicht geantwortet. Gegenüber seinen Vorgesetzten habe er laut Andreas Hostettler gesagt, er stehe den Medien nicht zur Verfügung.
Publiziert am 30. Juni 2022 in der Zuger Zeitung.